„Wohnungsnot kann eine Demokratie herausfordern!“
Mit 400.000 Wohnungen an rund 400 Standorten in Deutschland bietet die Vonovia SE rund einer Million Menschen hierzulande ein Zuhause. Seit sieben Jahren steht der studierte Betriebswirt und Maschinenbauer Rolf Buch (55) als Vorsitzender des Vorstandes an der Spitze von Europas führendem privaten Wohnungsunternehmen. Sven Lilienström, Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie, sprach mit Rolf Buch über Demokratie, bezahlbaren Wohnraum und die Frage, wie viel gesellschaftliche Verantwortung im Namen Vonovia steckt.
Herr Buch, die erste Frage möchten wir in guter Tradition auch Ihnen stellen: Welchen Stellenwert haben Demokratie und demokratische Werte für Sie ganz persönlich?
Rolf Buch: Demokratie ist die Grundlage einer modernen Gesellschaft. Nur Demokratien ermöglichen es Menschen, in Freiheit und Gleichheit zu leben. Ich hoffe, dass wir es in Europa schaffen, nicht in nationalen Egoismus zu verfallen und bin froh, dass wir nun einige Monate nach Beginn der Pandemie die Grenzen Schritt für Schritt wieder öffnen.
Europa lohnt alle Mühen! Nur so können wir den globalen Herausforderungen begegnen.
Unsere gemeinsame europäische Identität ist Garant für Frieden und Wohlstand. Ich habe lange Zeit in Frankreich gelebt und bin überzeugt: Europa lohnt alle Mühen! Nur so können wir den globalen Herausforderungen begegnen.
Sie betonen immer wieder die Verantwortung für rund eine Million Menschen, die bei Vonovia „zu Hause“ sind. Wie viel gesellschaftliche Verantwortung steckt im Namen Vonovia?
Rolf Buch: Wir bei Vonovia sehen mehrere Megatrends, die unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren herausfordern: die Urbanisierung, also der anhaltende Zuzug in große Städte und Ballungsräume, den demografischen Wandel, die Integration der Menschen und nicht zuletzt den Schutz des Klimas. Als großes Wohnungsunternehmen empfinden wir Verantwortung, dafür Lösungen anzubieten.
Im vergangenen Jahr haben wir mit Menschen aus 140 verschiedenen Nationen Neuvermietungen abgeschlossen.
So gehört es zu unserem Geschäftsverständnis, breiten Schichten der Gesellschaft bezahlbare Wohnungen anzubieten. Dazu zählen auch Menschen, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind. Im vergangenen Jahr haben wir mit Menschen aus 140 verschiedenen Nationen Neuvermietungen abgeschlossen. Zudem haben wir 15.000 Wohnungen altersgerecht umgebaut. Zusätzlich haben wir knapp eine Milliarde Euro investiert, um rund vier Prozent unseres Wohnungsbestandes energetisch zu sanieren. Aber auch außerhalb unserer Bestandsinvestitionen tragen wir zum Klimaschutz bei – zum Beispiel mit Forschung zu einem klimaneutralen Gebäudebestand oder einer Kooperation mit dem NABU. Sie sehen: Unsere Anstrengungen bei diesen zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen sind nach wie vor Kernmerkmale unserer Strategie.
In deutschen Metropolen werden Wohnungen immer knapper – die Grünen sprechen mittlerweile offen über Enteignungen. Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit Wohnraum wieder bezahlbar wird?
Rolf Buch: Ja, in Schwarmstädten droht sich die Wohnungsnot noch zu vergrößern. Denn sie ziehen auch künftig Menschen an. Hier finden Jobsuchende attraktive Arbeitsangebote, Familien schätzen die im Vergleich zu ländlichen Regionen häufig besseren Bildungs- und Betreuungseinrichtungen und Senioren profitieren von den Vorzügen einer für sie wertvollen Infrastruktur.
Wohnungsnot kann gesellschaftliche und politische Entwicklungen nach sich ziehen, die eine Demokratie herausfordern und nationale Egoismen befeuern.
Deshalb benötigen wir Konzepte für bezahlbaren Wohnraum. Diese Aufgabe duldet keinen Aufschub, denn Wohnungsnot kann gesellschaftliche und politische Entwicklungen nach sich ziehen, die eine Demokratie herausfordern und nationale Egoismen befeuern. Wir benötigen konkrete bauordnungs- und bauplanrechtliche Änderungen, um sowohl Nachverdichtungen als auch den Neubau im Siedlungszusammenhang sowie die Aufstockung bestehender Gebäude zügiger und kostengünstiger zu realisieren. Um den Prozess zu beschleunigen, müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren digitalisiert werden. Wir bei Vonovia haben einen Beitrag geleistet und im vergangenen Jahr bundesweit 1.200 Wohnungen fertiggestellt. Langfristig sollen es noch deutlich mehr werden. Mit einer Durchschnittsmiete unter 7 Euro pro Quadratmeter sind wir ein Garant für bezahlbares Wohnen in Deutschland.
Anfang Mai haben etwa 3.500 Ihrer Mieterinnen und Mieter um Mietstundung gebeten. Wie ist der aktuelle Stand und was tut Vonovia, um die finanziellen Folgen der Corona-Krise für die Mieter abzufedern?
Rolf Buch: Vonovia hat bereits zu Beginn der Corona-Krise und bevor es neue gesetzliche Regelungen gab, alle rund 350.000 Mieterinnen und Mieter in Deutschland angeschrieben und betont, dass sich niemand Sorgen machen muss, seine Wohnung zu verlieren. Damit waren wir Vorreiter in der Branche. Wir haben zugesichert, dass wir bei Zahlungsschwierigkeiten infolge der Pandemie in jedem Fall eine gemeinsame Lösung finden, zum Beispiel in Form einer Stundung der Miete.
Bis September 2020 wird es keine Mieterhöhungen nach Modernisierungen oder nach Mietspiegel geben.
Selbstverständlich ist für uns auch, dass wir bis auf weiteres keine Räumungen durchführen und sowohl bei Privatpersonen als auch bei Gewerbe auf Mieterhöhungen durch Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete verzichten. Bis September 2020 wird es zudem keine Mieterhöhungen nach Modernisierungen oder nach Mietspiegel geben. Unseren Kunden aus dem Kleingewerbe bieten wir ebenfalls individuelle Lösungen, denn sie sind in dieser Situation besonders betroffen.
Die Corona-Krise hat auch eine Debatte hinsichtlich der Dividendenpolitik börsennotierter Unternehmen ausgelöst. Halten Sie eine Erhöhung der Dividende um neun Prozent in Krisenzeiten für das richtige Signal?
Rolf Buch: Mit der in diesem Jahr ausgezahlten Dividende beteiligen wir unsere Aktionäre an der erfolgreichen Entwicklung von Vonovia 2019. Unsere Aktie wird von vielen Pensionsfonds und Treuhand-Vermögen gehalten. Insbesondere sie benötigen die Dividende, um Pensionszahlungen zu leisten oder ihrerseits feste Zusagen einhalten zu können. Für den Kapitalmarkt ist Verlässlichkeit sehr wichtig, denn wir werden für die Finanzierung der gesellschaftlichen Aufgaben wie Neubau, Klimaschutz und altersgerechtes Wohnen auch in Zukunft die Unterstützung des Kapitalmarkts benötigen. Daher werden wir unsere Zusage an die Aktionäre nicht ohne triftigen Grund ändern.
Warum hätten wir die Dividende streichen sollen?
Vonovia ist solide finanziert und wird unabhängig von der Dividendenzahlung alle seine Zusagen an Mieterinnen und Mieter erfüllen. Unsere Mitarbeiter müssen nicht in Kurzarbeit. Wir entlassen nicht, sondern wir stellen ein. Wir bilden weiter aus. Und wir nehmen in der Corona-Krise keine Staatshilfen in Anspruch. Warum also hätten wir die Dividende streichen sollen?
Kaum ein Thema wird in der Politik so häufig und emotional thematisiert, wie der Immobilienmarkt. Bitte vervollständigen Sie den Satz mit Begründung: „Ich wünsche mir von der Politik mehr _ und weniger _.“
Rolf Buch: Ich wünsche mir von der Politik, dass sie den Einsatz innovativer Technologien im Immobilienbereich stärker fördert, etwa bei der regenerativen Energieerzeugung. Wichtig ist auch, dass Sonderförderprogramme für alte öffentlich geförderte Wohngebäude zur Verfügung gestellt werden, die in naher Zukunft aus der Bindung fallen. Zudem sollten Anreizsysteme geschaffen werden, die die Einsparung jeder einzelnen Tonne CO2 belohnen.
Die Corona-Krise fordert uns heraus, noch entschiedener als bisher darüber nachzudenken, wie wir mit gesellschaftlich prägenden Themen umgehen.
Die Corona-Krise fordert uns heraus, noch entschiedener als bisher darüber nachzudenken, wie wir mit gesellschaftlich prägenden Themen umgehen. Zum Beispiel mit dem Schutz des Klimas. Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass die Bundesregierung bei dem aktuellen Konjunkturpaket die Gebäudesanierung ausweitet und die Elektromobilität voranbringt. Voraussetzung für den gemeinsamen Fortschritt in der Wohnungswirtschaft ist, dass Lösungen immer im Kontext von Quartiersansätzen betrachtet werden und Politik sowie Gesellschaft diesen Ansatz akzeptieren.
Herr Buch, wir haben Ihren Namen zusammen mit dem Begriff „Hobby“ gegoogelt. Das Resultat: Keine Ergebnisse. Das möchten wir ändern! Verraten Sie uns, was Sie in Ihrer Freizeit am liebsten machen?
Rolf Buch: Als Maschinenbauingenieur begeistere ich mich für Autos, vor allem ältere Modelle. So steht in meiner Garage beispielsweise ein BMW 318, Baujahr 1986.
Autos haben mich schon als Kind fasziniert!
Das hat auch nostalgische Gründe, denn mein erstes eigenes Auto war ein solcher Wagen. Autos haben mich übrigens schon als Kind fasziniert. Damals habe ich Miniaturmodelle der Marke Siku gesammelt.