• 11. April 2019

BDA-Präsident Ingo Kramer

„Demokratie beweist sich in der Toleranz gegenüber dem Anderen!“

BDA-Präsident Ingo Kramer

BDA-Präsident Ingo Kramer 150 150 Sven Lilienström

„Demokratie beweist sich in der Toleranz gegenüber dem Anderen!“

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist die sozialpolitische Spitzenorganisation der gesamten deutschen Wirtschaft. Sie vertritt die Interessen kleiner, mittelständischer und großer Unternehmen aller Branchen in Fragen der Sozial- und Tarifpolitik, des Arbeitsrechts, der Arbeitsmarktpolitik sowie der Bildung. Die BDA setzt sich auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene für die Interessen von etwa einer Million Betrieben und 25 Millionen Arbeitnehmern ein. Sven Lilienström, Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie, sprach dem mit Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Ingo Kramer über Demokratie, den Brexit und die Frage, ob die Sozialstaatspläne der GroKo die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland gefährden.

Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) | © BDA - Christian Kruppa

Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) | © BDA – Christian Kruppa

Herr Kramer, welchen Stellenwert haben Demokratie und demokratische Werte für Sie in Ihrer Funktion als BDA-Präsident und als Privatperson ganz persönlich?

Ingo Kramer: Die Demokratie und ihre liberalen Grundprinzipien mit dem Schutz von Minderheiten sind die Grundlage unseres freien und friedlichen Zusammenlebens in Deutschland und Europa. Dies ist ein sehr wertvolles Gut, das es zu schützen und zu stärken gilt.

Demokratie beweist sich erst in der Toleranz gegenüber dem Anderen.

Die Generation meiner Eltern und Großeltern hat erlebt, was es bedeutet, wenn die Freiheit Einzelner von Demokratiefeinden bedroht ist. Es ist unsere Verantwortung, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Demokratie beweist sich erst in der Toleranz gegenüber dem Anderen.

Die Wahl des neuen Europaparlaments wird zunehmend zur Schicksalswahl. Sie fordern ein klares Bekenntnis für Europa und zugleich eine Absage an alle anti-europäischen Kräfte. Was steht auf dem Spiel?

Ingo Kramer: Es besteht die reale Gefahr, dass die Europagegner von links und rechts künftig kombiniert zur großen Verhinderungskraft im Europäischen Parlament werden. In der EU genießen wir seit über sieben Jahrzehnten ununterbrochen Frieden und Freiheit, wirtschaftliche Stabilität und soziale Sicherheit. Ohne den europäischen Integrationsprozess wäre dieses undenkbar. Es ist die Basis für unser aller Leben und Arbeiten über Grenzen hinweg. Der kriegerische Konflikt in der Ukraine zeigt uns eindringlich, dass Frieden in Europa eben nicht selbstverständlich ist.

Zehntausende deutsche Unternehmen und Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren tagtäglich von Europa!

Aber auch wenn die Lage ernst ist, hält mich das nicht davon ab, mit Optimismus für Europa zu werben. Zehntausende deutsche Unternehmen und Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren tagtäglich von Europa! 2018 exportierten deutsche Unternehmen Waren im Gesamtwert von fast 780 Milliarden Euro in die anderen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Das entspricht fast 60 Prozent des Gesamtexportes der Bundesrepublik. Ähnliches gilt für alle Staaten in Europa.

Stichwort Brexit: Am 14. März hat das britische Parlament für eine Verschiebung des EU-Austritts gestimmt. Was bedeutet der Brexit-Aufschub für die deutsche Wirtschaft und was für die Europawahl im Mai?

Ingo Kramer: Diese Brexit-Zitterpartie und die damit einhergehende Unsicherheit lähmen natürlich in Teilen auch die deutschen Unternehmen.

Die Engländer wissen leider nur noch, was sie nicht wollen, aber nicht, was sie wollen!

Die Engländer wissen leider nur noch, was sie nicht wollen, aber nicht, was sie wollen. Der Brexit wird zwar bei uns in Deutschland anders als in Großbritannien nicht zu großen volkswirtschaftlichen Verwerfungen führen, aber eine Reihe deutscher Unternehmen und einzelne Branchen werden stärker darunter leiden. Wir reden hier aber nicht nur über ökonomische Aspekte. Europa ist so viel mehr: Sicherheit, Frieden, wirtschaftliche Stabilität, persönliche Freizügigkeit und unsere Rolle in der Welt.

Ich wünsche dem Vereinigten Königreich, dass es angesichts der eigenen Zerrissenheit in der Brexit-Frage den Wert eines streitbaren, aber vereinten Europas erkennt.

Wenn wir auf China blicken, auf die USA oder Russland, dann müssen wir unser europäisches Gewicht in die Diskussionen unserer Zeit einbringen. Als einzelner Nationalstaat wird es schwieriger, sich Gehör zu verschaffen. Deshalb wünsche ich dem Vereinigten Königreich, dass es angesichts der eigenen Zerrissenheit in der Brexit-Frage den Wert eines streitbaren, aber vereinten Europas erkennt.

Ob Erhöhung des Mindestlohns, längeres ALG oder Grundrente für Geringverdiener: Gefährden die Sozialstaatspläne der GroKo die Wettbewerbsfähigkeit und somit mittelfristig Arbeitsplätze in Deutschland?

Ingo Kramer: Jeden Euro, den man verteilt, muss man zuerst einmal erwirtschaften. Diese einfache Gleichung sollte Grundlage politischen Handelns sein. Stattdessen wird ein wildes Draufsatteln von allen Seiten praktiziert, ohne die Gesamtentwicklung im Blick zu behalten – und auch ohne sich zu fragen, ob unsere weniger werdenden Kinder und Enkel die Belastungen durch so manche soziale Wohltat überhaupt noch schultern können.

Wenn wir nicht endlich Konzepte entwickeln, um die Lohnzusatzkosten dauerhaft unter der Marke von 40 Prozent zu halten, bekommen wir mit der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ernsthafte Probleme.

Ich halte das auch angesichts der Konjunktureintrübungen für fatal. Wenn wir nicht endlich Konzepte entwickeln, um die Lohnzusatzkosten dauerhaft unter der Marke von 40 Prozent zu halten, bekommen wir mit der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ernsthafte Probleme. Deswegen hat die BDA auch eine Kommission gegründet, die Vorschläge für ein zukunftsfestes Sozialversicherungssystem erarbeiten wird.

Reden wir über die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Erst im Dezember sagten Sie, die Bundeskanzlerin habe mit ihrem Satz „Wir schaffen das“ recht behalten. Wie ist der Status quo?

Ingo Kramer: Ein Großteil der zu uns geflüchteten Menschen ist inzwischen in Ausbildung oder Beschäftigung.

Mit zunehmenden Deutschkenntnissen verbessert sich die Integration.

Die Unternehmer und ihre Belegschaften vor Ort sind wahnsinnig engagiert. Sie müssen sich aber auch darauf verlassen können, dass sich ihr Engagement lohnt und sie Klarheit über die Bleibeperspektive haben. Mit zunehmenden Deutschkenntnissen verbessert sich die Integration.

Sie sind aktiver Seenotretter und im Vorstand der „Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ (DGzRS). Was empfinden Sie, wenn den Seenotrettern im Mittelmeer vorgeworfen wird Schlepper zu unterstützen?

Ingo Kramer: Unsere Gewässer sind die deutschen Gebiete der Nord- und Ostsee, wo die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer bei jedem Wetter – rund um die Uhr – bereitstehen, um in Not geratenen Menschen zu helfen.

Für mich ist klar: Wenn ein Mensch in Seenot gerät, ist es unsere Pflicht, ihn zu retten, ohne nach der Herkunft zu fragen!

Auch für mich ist es selbstverständlich, meinem Dienst auf dem Boot regelmäßig nachzukommen. Für mich ist klar: Wenn ein Mensch in Seenot gerät, ist es unsere Pflicht, ihn zu retten, ohne nach der Herkunft zu fragen. Wir bringen ihn allerdings nur in den nächstgelegenen Hafen und fragen auch nicht nach seinem Reiseziel.

Herr Kramer, die Wahl des BDA-Präsidenten findet alle zwei Jahre statt – die nächste im November 2019. Stellen Sie sich zum vierten Mal in Folge zur Wahl?

Ingo Kramer: Das Jahr hat erst begonnen und wie zuvor auch werde ich das zu gegebener Zeit entscheiden und mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den jeweiligen Gremien beraten.

Vielen Dank für das Interview Herr Kramer!

S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein„Freihandel ist kein Nullsummenspiel, sondern existenziell!“»
Karl Nehammer, Bundeskanzler der Republik Österreich„Wir müssen daran arbeiten, der Demokratie wieder ein positiveres Bild zu geben!“»
Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU Deutschlands„Dafür bin ich diesem Land unendlich dankbar!“»
Mathias Cormann, OECD Secretary-General“We need to make globalisation work better for people!”»
Dirk Ippen, Verleger„Wir müssen weiter mutig unsere Meinung schreiben!“»
Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung„Wir müssen für die Demokratie kämpfen!“»
S.K.H. Großherzog Henri von Luxemburg„Wir sollten uns immer bewusst sein, welch Privileg es ist, in einer Demokratie zu leben!“»
Olha Stefanishyna, Deputy Prime Minister of Ukraine“A Strong Sense of the Importance of Democracy Runs in Our Blood!”»
Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend„Wehrhafte Demokratie muss nach innen und außen verteidigt werden!“»
Ron Prosor, Botschafter des Staates Israel in Deutschland„Die Feinde unserer offenen Gesellschaften dürfen nicht entscheiden, wie wir miteinander leben!“»
FACES OF PEACE