„Journalismus muss Politik begleiten und erklären, nie machen!“
Dr. Friede Springer (80) ist die Witwe des 1985 verstorbenen Verlegers Axel Springer. Sie ist Stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Axel Springer SE und – seit Dezember 2010 – Vorstandsvorsitzende der „Friede Springer Stiftung“, einer gemeinnützigen Förderstiftung, die sich unter anderem dem demokratischen Gemeinwesen verpflichtet. Sven Lilienström, Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie, sprach mit Dr. Friede Springer über Demokratie in der Zeitenwende, den Einfluss sozialer Netzwerke und die Frage, wie nah sich Politik und Journalismus sein dürfen.
Frau Dr. Springer, Sie geben selten Interviews. Daher freuen wir uns umso mehr, auch Ihnen unsere obligatorische erste Frage stellen zu dürfen: Welchen Stellenwert hat Demokratie für Sie ganz persönlich?
Friede Springer: Demokratie ist das Fundament, auf dem unser gesellschaftliches Wertekonstrukt beruht. Sie ist damit Voraussetzung für die Freiheit in all ihren Facetten, die wir in der Demokratie genießen. Das ist eine Errungenschaft, an die wir uns nie gewöhnen dürfen.
Demokratie in der Zeitenwende: Nicht erst seit dem Sturm auf das Kapitol erleben wir eine schleichende Erosion unserer wertegeleiteten Demokratie. Was tun gegen ein Erstarken autokratischer Systeme?
Friede Springer: Demokratie ist das bewährteste, stabilste System, das wir kennen und wir müssen alles tun, um die Demokratie zu stärken.
In der Demokratie haben wir alle eine individuelle Verantwortung zu tragen. Wählen gehört dazu, ich nehme an jeder Wahl teil!
In der Demokratie haben wir alle eine individuelle Verantwortung zu tragen. Wählen gehört dazu, ich nehme an jeder Wahl teil. Darüber hinaus müssen wir den demokratischen Meinungsaustausch hochhalten und uns alle aktiv daran beteiligen. In Zeiten von sozialen Medien drohen wir sonst das Verständnis für unser Gegenüber zu verlieren. Dissens ist wichtig und stärkt die Demokratie – solange man bei aller Uneinigkeit die freiheitlich-demokratischen Grundprinzipien teilt.
Die Anonymität des Internets ermöglicht freie Meinungsäußerung ebenso wie „Hate Speech“. Wie bewerten Sie den Einfluss sozialer Netzwerke auf die Demokratie? Und nebenbei gefragt: Wann werden Sie auf Instagram aktiv?
Friede Springer: Wir haben in der Demokratie eine Vielfalt an Medien und unterschiedliche Mediensysteme. Die sozialen Netzwerke sind nicht im Grundsatz eine Gefahr. Sie können sogar sehr förderlich sein. Sie sind ein wichtiger Kanal, über den sich breite Altersgruppen informieren.
Wichtig ist, dass wir soziale Medien als Bestandteil der Medienlandschaft verstehen und nutzen.
Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir soziale Medien als Bestandteil der Medienlandschaft verstehen und nutzen. Viele Verlage machen das bereits, so auch Axel Springer. Ich persönlich werde aber in keinem sozialen Netzwerk aktiv.
Stichwort Politik und Medien: Hat sich Ihrer Meinung nach das Kräfteverhältnis beider Akteure in den letzten Jahren verändert und wenn ja, inwiefern? Wie nah dürfen sich Politik und Journalismus sein?
Friede Springer: Journalismus muss Politik begleiten und erklären, nie machen. Es ist für die erfolgreiche Zukunft des freien Journalismus in der Demokratie entscheidend, dass Journalisten unabhängig und unvorhersehbar bleiben.
Journalisten müssen berichten, was ist. Und investigativ recherchieren, was vielleicht auch jemand nicht recherchiert haben will!
Sie müssen berichten, was ist. Und investigativ recherchieren, was vielleicht auch jemand nicht recherchiert haben will. Nur so können sie ihre wichtige Aufgabe erfüllen, auch als Korrektiv der Politik. Abhängiger oder gar parteiischer Journalismus wäre im Gegensatz dazu eine Rückkehr ins 19. Jahrhundert, wo die allermeisten Zeitungen Parteiorgane waren.
BILD ist Europas größte Tageszeitung. Man liebt sie, hasst sie oder beides. Was macht die BILD so erfolgreich? Haben Sie einen Lieblings-Titel – abgesehen von der legendären „Wir sind Papst“-Headline?
Friede Springer: BILD ist Boulevard. Und niemand kann Boulevard wie BILD: Dinge auf den Punkt bringen. Auch mal unbequem, auch mal laut, immer unterhaltend.
Schlagzeilen gehören dazu, aber einen Lieblings-Titel habe ich nicht.
Schlagzeilen gehören dazu, aber einen Lieblings-Titel habe ich nicht.
Vor etwas mehr als zwölf Jahren haben Sie die Friede Springer Stiftung ins Leben gerufen – eine gemeinnützige Förderstiftung, die sich dem demokratischen Gemeinwesen verpflichtet. Warum eine Stiftung?
Friede Springer: Ich habe mich sehr lange mit dem Gedanken getragen, in einem organisierten und systematischen Ansatz die Wissenschaft und unsere gesellschaftlichen Grundwerte zu fördern. Da lag die Gründung einer Stiftung nahe.
Frau Dr. Springer, unsere siebte Frage ist immer eine persönliche: Gibt es etwas, was Sie sich für dieses Jahr oder in naher Zukunft vorgenommen haben? Was wünschen Sie sich für 2023?
Friede Springer: Fokus. Die Herausforderungen der Zeit sind vielfältig. Wenn man sich da nicht fokussiert, läuft man Gefahr, zu viel gleichzeitig machen zu wollen. Im Ergebnis wird man dann keinem Anliegen und keiner Verantwortung, die man übernommen hat, wirklich gerecht.
Ich möchte mich auf meine Verantwortlichkeiten konzentrieren, […] meine Stiftungen und die Arbeit im Aufsichtsrat von Axel Springer.
Deshalb möchte ich mich auf meine Verantwortlichkeiten konzentrieren, bei denen ich mich am effektivsten einbringen kann. Das sind meine Stiftungen und die Arbeit im Aufsichtsrat von Axel Springer.