„Was wir brauchen, ist bürgerschaftliches Engagement!“
„Die wichtigsten Artikel stehen nicht bei dm, sondern im Grundgesetz“. Mit dieser Botschaft warb der deutsche Drogerie-Gigant dm (über 2.000 Märkte in Deutschland) am 75. Geburtstag unserer Verfassung. Cleveres Marketing oder unternehmensweit gelebte gesellschaftliche Verantwortung? Über diese und weitere Fragen sprach Sven Lilienström, Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie, mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von dm Christoph Werner (52).
Christoph Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung von dm-drogerie markt | © Christina Riedl
Herr Werner, schön, dass Sie sich die Zeit zur Beantwortung unserer sieben Interviewfragen nehmen: Was bedeuten denn für Sie Demokratie und demokratische Werte ganz persönlich?
Christoph Werner: Mit „Demokratie“ ist noch nicht viel gewonnen, wenn durch sie Minderheiten systematisch entrechtet werden. In unserem Land haben wir zum Glück eine „liberale Demokratie“, welche sich dadurch auszeichnet, dass individuelle Bürgerrechte grundsätzlich geschützt sind und Minderheiten nicht entrechtet werden.
Die liberale Demokratie ist eine kostbare Errungenschaft – sie ist die Grundlage für eine freie Bürgergesellschaft!
Die liberale Demokratie ist eine kostbare Errungenschaft. Sie ist die Grundlage für eine freie Bürgergesellschaft, in der grundsätzlich jeder initiativ werden und sich gesellschaftlich einbringen kann. Damit haben wir die Voraussetzung, um zukunftsfähig zu sein und über uns hinauszuwachsen.
Konflikte, Klimawandel und Rezession sind der Nährboden für ein Erstarken der Ränder sowie die heimliche Sehnsucht mancher nach einem „autoritären Staat“. Vor welchen Herausforderungen steht unsere Demokratie?
Christoph Werner: Konflikte, Klimawandel und Rezession sind zunächst mal Herausforderungen, mit denen wir umgehen müssen. Wenn wir uns nicht um sie kümmern, werden sie zu einem Nährboden für ungute gesellschaftliche Entwicklungen.
Konstruktiver Streit eint eine Gesellschaft. Keine gute Idee ist es, den Kopf in den Sand zu stecken in der Hoffnung, dass die Probleme einfach verschwinden.
Deshalb ist es so wichtig, die Herausforderungen klar zu benennen und um Lösungen zu ringen. Denn konstruktiver Streit eint eine Gesellschaft. Keine gute Idee ist es, den Kopf in den Sand zu stecken in der Hoffnung, dass die Probleme einfach verschwinden. Denn in der Regel kommen sie zurück. Dann allerdings in Begleitung ihrer großen Brüder!
„Die wichtigsten Artikel stehen nicht bei dm, sondern im Grundgesetz“. dm macht sich – insbesondere bei jungen Menschen – für unsere Demokratie stark. Cleveres Marketing oder gesellschaftliche Verantwortung?
Christoph Werner: Bei dm ist es uns ein echtes Anliegen darauf aufmerksam zu machen, dass unser Grundgesetz ein wirklich großer Wurf war. Niedergeschrieben in einer Zeit, als Deutschland in Trümmern lag und viele dachten, dass unser Land nie wieder auf die Beine kommen würde, gab es Menschen, die trotz der erlebten Abgründe an das Gute im Menschen glaubten.
Bei dm ist es uns ein echtes Anliegen darauf aufmerksam zu machen, dass unser Grundgesetz ein wirklich großer Wurf war!
Sie legten Spuren der Zuversicht, denen wir noch heute sehr viel zu verdanken haben. Mich persönlich macht das sehr demütig und ich bin unendlich dankbar dafür.
Längst nicht alle Unternehmer*innen in Deutschland haben den Mut, sich politisch zu äußern. Woran denken Sie, liegt das? Brauchen wir – insbesondere nach der Zeitenwende – mehr politisches Engagement von Unternehmen?
Christoph Werner: Was wir brauchen, ist bürgerschaftliches Engagement. Das gilt für alle, also auch für Unternehmer. Gerade weil man als Unternehmer das Glück hat, in Medien interviewt zu werden und damit mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, sollte man diese Chance auch wahrnehmen.
Was wir brauchen, ist bürgerschaftliches Engagement. Das gilt für alle, also auch für Unternehmer.
Gleichwohl kann eine öffentliche Meinungsäußerung auch Kritik einbringen, der sich nicht jeder stellen möchte. Auch dafür habe ich Verständnis.
Stichwort Migrationspolitik: Laut Unternehmenskultur begreift dm „Vielfalt als Bereicherung“. Mal unabhängig davon: Könnte dm ohne reguläre Zuwanderung mittelfristig überhaupt am Markt bestehen oder gar wachsen?
Christoph Werner: Bisher kommen wir bei dm gut zurecht. Gleichwohl halt ich eine differenzierte Betrachtung dieses Themas für wichtig. Zu unterscheiden ist zwischen geordneter Einwanderung und illegaler Migration. Denn die Auswirkungen sind nicht die gleichen.
Vielfalt als solches ist noch keine Bereicherung. Denn dann gilt das Prinzip: „Jeder macht was er will, keiner macht was er soll, und alle machen mit.“
Vielfalt als solches ist noch keine Bereicherung. Denn dann gilt das Prinzip: „Jeder macht was er will, keiner macht was er soll, und alle machen mit.“ Erst wenn es gemeinsame Ziele und Werte gibt, eröffnet Vielfalt neue Horizonte. Denn dann finden wir neue und oft bessere Wege zu unseren gemeinsamen Zielen.
Lassen Sie uns einen kurzen Blick in die Zukunft richten – insbesondere ins Jahr 2025: Was plant Ihre Drogeriemarktkette, was plant dm, um zukünftig Demokratiebildung zu fördern und die Demokratie zu stärken?
Christoph Werner: Als Drogerieunternehmen ist unser primäres Ziel, für unsere Kundinnen und Kunden einen positiven Unterschied zu machen, damit sie auch weiterhin so zahlreich unsere Leistungen abnehmen und bei uns einkaufen. Bezogen auf unsere vielen Kolleginnen und Kollegen ist es unser Ziel, berufliche und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten, damit sie ihr Potential realisieren können.
Als Drogerieunternehmen ist unser primäres Ziel, für unsere Kundinnen und Kunden einen positiven Unterschied zu machen!
Auf die Gesellschaft bezogen wollen wir vorbildlich in unserem Umfeld wirken. Die konkrete Ausgestaltung dieses Anspruchs legen wir nicht zentral fest. Denn diese lebt von den vielen einzelnen Initiativen der Kolleginnen und Kollegen vor Ort.
Herr Werner, unsere siebte Frage ist immer eine persönliche: In einem Interview verrieten Sie, Ihr Lieblingsfilm sei Family Man. Welche Traditionen oder Rituale sind Ihnen wichtig? Was ist „typisch“ Familie Werner?
Christoph Werner: Das ist nun eine wirklich schwierige Frage. Vielleicht ist für meine Familie typisch, dass wir grundsätzlich sehr weltoffen und über viele Länder verteilt sind. Meine Frau und ich haben schon immer sehr großen Wert darauf gelegt, dass unsere Kinder eigenständig sind.
Vielleicht ist für meine Familie typisch, dass wir grundsätzlich sehr weltoffen und über viele Länder verteilt sind.
Deswegen haben wir keine wirklichen Rituale, sondern probieren immer mal wieder etwas anderes aus. Das gilt für Geburtstage, für Weihnachten und auch für viele andere Dinge.