„Freihandel ist kein Nullsummenspiel, sondern existenziell!“
Sind Demokratie und Königshaus ein Widerspruch? Nachdem wir zuletzt mit Großherzog Henri von Luxemburg über diese Frage gesprochen haben, wollten wir im Interview mit Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein (56) wissen: Sind konstitutionelle Monarchien im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß? Was kann ein Kleinstaat wie Liechtenstein gegen Protektionismus und Subventionswettlauf tun? Außerdem: Liechtenstein verfügt weder über Militär, noch ist es NATO-Mitglied. Wie wirkt sich dieser Umstand auf das Sicherheitsempfinden der Liechtensteiner*innen – insbesondere seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine – aus?
Vielen Dank, dass Sie uns auf Schloss Vaduz empfangen. Wie immer möchten wir gerne zu allererst wissen: Was bedeuten Demokratie und demokratische Werte für Sie ganz persönlich?
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Für mich bedeutet Demokratie die Legitimation und auch die Kontrolle der Politik durch das Stimmvolk. Dies geschieht bei uns in Liechtenstein nicht nur durch freie Wahlen, welche alle vier Jahre stattfinden, sondern das Stimmvolk kann durch die Wahrnehmung umfassender direktdemokratischer Rechte jederzeit die Entscheidungen gewählter Politiker*innen oder des Monarchen korrigieren.
Für mich bedeutet Demokratie die Legitimation und auch die Kontrolle der Politik durch das Stimmvolk!
Neben dieser Verankerung der Politik im Volk sind aus meiner Sicht demokratische Werte wie die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit von besonderer Bedeutung, um eine Politik im langfristigen Interesse des Volkes sicherzustellen.
In einer Demokratie ist die Chancengleichheit ein zentraler Wert. Vor diesem Hintergrund erscheint das Prinzip der „Herrschaft qua Geburt“ antiquiert. Sind konstitutionelle Monarchien im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß?
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Ja! Aus meiner Sicht sind konstitutionelle Monarchien auf jeden Fall zeitgemäß, wenn sie – so wie in Liechtenstein – umfassend demokratisch verankert sind.
Aus meiner Sicht sind konstitutionelle Monarchien auf jeden Fall zeitgemäß, wenn sie umfassend demokratisch verankert sind.
In Liechtenstein hat das Stimmvolk sogar die Möglichkeit, durch eine einfache Volksabstimmung dem Monarchen das Misstrauen auszusprechen oder gar die Monarchie abzuschaffen.
In Ihrer Rede anlässlich des 300-jährigen Bestehens von Liechtenstein akzentuierten Sie den Dreiklang der Staatsform des Fürstentums als „weltweit einzigartig“. Können Sie dies genauer erklären?
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Gemäß Artikel 2 der Liechtensteinischen Verfassung ist das Fürstentum Liechtenstein eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage.
Wir verbinden auf eine weltweit einzigartige Weise eine parlamentarische Demokratie mit einem starken monarchischen und direktdemokratischen Element.
Das bedeutet, dass wir auf eine weltweit einzigartige Weise eine parlamentarische Demokratie mit einem starken monarchischen und einem starken direktdemokratischen Element verbinden. Das starke monarchische Element prägt Kontinuität, Stabilität und eine langfristige Ausrichtung der Politik. Zudem erlaubt es dem Monarchen, eine überparteiliche vermittelnde Rolle zwischen den politischen Lagern einzunehmen und sich dabei auch für Minderheiten einzusetzen. Die direkte Demokratie hingegen zeichnet sich insbesondere durch eine große Bürgernähe aus. Sie stellt durch die direktdemokratischen Rechte des Stimmvolkes sicher, dass die Anliegen der Bürger*innen so früh wie möglich von der Politik identifiziert und auch angegangen werden.
Wirtschaft im Wandel: Als exportorientiertes Land ist Liechtenstein auf ein stabiles, regelbasiertes und liberales Handelssystem angewiesen. Was also tun gegen Protektionismus und Subventionswettlauf?
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Ein Kleinstaat wie Liechtenstein hat nur begrenzte Möglichkeiten, wenn die mächtigen Staaten dieser Welt Protektionismus und Subventionswettlauf betreiben. Wir können uns international – im Verbund mit gleichgesinnten Staaten – für die Stärkung und Aufrechterhaltung eines stabilen, regelbasierten und liberalen Handelssystems einsetzen.
Für uns in Liechtenstein ist klar: Freihandel ist kein Nullsummenspiel, sondern existenziell!
Wichtig sind auch Freihandelsabkommen, die Liechtenstein gemeinsam mit der Schweiz, Norwegen und Island als Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA anstrebt. Gleichzeitig sind wir Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum EWR. Auf nationaler Ebene können wir vor allem durch eine solide Wirtschaftspolitik unserer heimischen Wirtschaft gute Rahmenbedingungen bieten. Für uns in Liechtenstein ist klar: Freihandel ist kein Nullsummenspiel, sondern existenziell!
Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen. Halten Sie das 1,5-Grad-Ziel noch für erreichbar? Wie grün ist Liechtenstein und was plant Ihr Land zukünftig in Sachen Klimapolitik zu unternehmen?
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Ich denke, es wird sehr schwierig, das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch zu erreichen. Liechtenstein steht – im internationalen Vergleich – in Sachen Klimapolitik gut dar. Dennoch müssen wir noch viel unternehmen, um die international vereinbarten Verpflichtungen zu erreichen.
Mittlerweile zählt Liechtenstein zu den Ländern, die vergleichsweise einen der höchsten Anteile an Solarenergie aufweisen können.
Wir möchten als kleiner Staat mit gutem Beispiel vorangehen und tun das, indem wir vor all auch im Gebäudebereich Energie sparen und auf erneuerbare Energien umstellen. Mittlerweile zählt Liechtenstein zu den Ländern, die vergleichsweise einen der höchsten Anteile an Solarenergie aufweisen können. Aber wir sind auch dabei, weitere Quellen zur Erzeugung regenerativer Energien zu erschließen. Darauf wird der Hauptfokus in der nächsten Zeit liegen.
Liechtenstein verfügt weder über Militär, noch ist es NATO-Mitglied. Hat sich das Sicherheitsempfinden der Liechtensteiner seit dem Februar 2022 verändert? Wer verteidigt das Fürstentum im Falle eines Angriffs?
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Wir haben zwar kein Verteidigungsabkommen, aber das Glück mit der Schweiz und Österreich von zwei sehr friedliebenden und freundlichen Nachbarstaaten umgeben zu sein. Dennoch können in der heutigen Zeit der modernen Kriegsführung „Cybergranaten“ überall auf der Welt einschlagen. Das stellt auch für Liechtenstein eine reale Gefahr dar.
Wir haben das Glück mit der Schweiz und Österreich von zwei sehr friedliebenden und freundlichen Nachbarstaaten umgeben zu sein!
Daher legen wir ein besonderes Augenmerk auf Cybersecurity sowie eine gute internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich. Damit haben wir bereits einige Jahre vor Beginn des Ukraine-Krieges begonnen, aber sicherlich ist seitdem das Bewusstsein der Bürger*innen für die Wichtigkeit einer guten Sicherheitspolitik – auch in Liechtenstein – gestiegen.
Die konstitutionelle Erbmonarchie ist – ebenso wie die Demokratie – ständigen Transformationsprozessen unterworfen. Inwieweit hat, wird oder muss sich die konstitutionelle Erbmonarchie in Liechtenstein verändern?
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Die Monarchie hat sich über die letzten Jahrhunderte immer wieder angepasst und neu entwickelt. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit der jetzigen Verfassungsstruktur gemacht.
Erst im Jahr 2003 haben wir – nach einer umfassenden Debatte über die Rolle der Monarchie in Liechtenstein – die Verfassung angepasst.
Erst im Jahr 2003 haben wir – nach einer umfassenden Debatte über die Rolle der Monarchie in Liechtenstein – die Verfassung angepasst. Das funktioniert sehr gut. Von daher sehe ich persönlich derzeit keinen größeren Änderungsbedarf. Aber ausgeschlossen ist nichts.